Benjamin Pütter: Kleine Hände - großer Profit - Kinderarbeit, Portofrei Signiert
02 juillet 2017
Kinderarbeit in unserer Warenwelt: Skandale aufdecken - Namen nennen
Es war spannend, sofern dies der richtige Ausdruck ist. Denn manchmal
wollte ich nicht weiter lesen, weil mir die Einzelschicksale doch auf
den Magen schlugen. Ich hatte das zwar alles schon gehört, aber in
dieser Dichte und in diesem Kontext entfalten die "lebendigen" Beispiele
doch eine ganz andere Wucht.
Und das ist gut so. Denn das Buch soll ja aufrütteln. Und nur ein Autor,
der seit vielen Jahren das Drama der Kinder erlebt hat, kann so hautnah
überzeugen. Auch weil man merkt, dass der Autor seine Vulnerabilität
(und damit zusammenhängend) sein Engagement über all die Jahre hinweg
nicht verloren hat.
Aber es sind nicht nur die Einzelschicksale, die das Buch für mich so
wertvoll machen: Diese Schicksale werden im gesellschaftlichen,
politischen und wirtschaftlichen Kontext verortet. Gerade bei der
Analyse dieses Kontextes merkt man, dass der Autor sich detailliert
auskennt und Missstände und die dafür Verantwortlichen auf Grund
jahrelang gesammelter Erfahrungen sehr konkret zu benennen weiß.
Wohltuend dabei: Der Autor spielt sich weder als Moralist noch als
Antikapitalist oder genereller Weltverbesserer auf. Es geht ihm
tatsächlich um die Kinder, die durch Arbeit missbraucht und vernichtet
werden. Wer immer bereit ist, gegen diesen Skandal anzukämpfen, ist dem
Autor willkommen - einerlei ob es sich um einen Politiker, einen
General, einen Gewerkschaftler, einen Unternehmer, einen Steinmetz oder
einen engagierten NRO-Mitarbeiter handelt. Diese Konzentration auf das
eigentliche Problem, diese Nicht-Ideologisierung, überrascht in einer
Zeit weit verbreiteter Gesinnungsethik.
Bewundert habe ich den Mut des Autors. Nicht nur, weil er sich in Indien
immer wieder Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt hat (ohne dies groß
an die Glocke zu hängen), sondern auch, weil er die Namen von indischen
und deutschen Verantwortlichen nennt, die ihrer Verantwortung nicht
gerecht werden bzw. diese auf zynische Weise konterkarieren. Der Autor
weiß nur zu gut, mit welchen Reaktionen er nun zu rechnen hat; denn er
wurde in den vergangenen Jahren mehrmals wegen seiner (immer gut
belegten) Aussagen zum Skandal der Kinderarbeit vor Gericht gezerrt.
Nicht zuletzt fand ich die einfache Sprache, derer sich der Autor
bedient, bemerkenswert. Diese einfache Sprache führt eben nicht zu
unscharfen oder pauschalen Aussagen. Sie macht das Buch aber für alle
lesbar - und dies ist dringend geboten, damit das Thema "Kinderarbeit"
nicht im Ghetto von NRO und anderen Experten eingehegt bleibt.
Ich wünsche mir, dass dieses Buch künftig auch in Bahnhofsbüchereien,
nicht nur in einschlägigen Bibliotheken zu finden sein wird.